Aus der Arbeit des Seniorenpolitischen Netzwerkes Chemnitz (SPN)

Die Mitglieder des Koordinierungskreises des Seniorenpolitischen Netzwerkes Chemnitz (SPN) trafen sich das letzte Mal im vergangenen Jahr am 8. Dezember (Foto). Schwerpunkte der Beratung waren die Auswertung des Herbstseminars und der Jahresplan 2017.

Anmerkung zur Altersarmut

In der letzten VS Aktuell berichteten wir ausführlich über die Inhalte des Herbstseminars „Wohnen im Alter in Chemnitz, mit Würde, selbstbestimmt und bezahlbar“. Dieter Siegert, Vertreter des Ortsverbandes Chemnitz und Umgebung der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechte und Menschenwürde e. V. (GBM) im SPN und Leiter der Projektgruppe des Vereins, merkt dazu noch folgendes an:

Die Statistik sage aus, dass Altersarmut zurzeit kein Thema in Chemnitz sei, sagte Silke Weiser vom Sozialamt in ihrem Vortrag. Die Seniorinnen und Senioren von heute würden sich eingerichtet haben, bezahlbaren Wohnraum besitzen und kämen mit ihrer Rente weitgehend aus. In den folgenden Jahren würden jedoch Seniorinnen- und Seniorengenerationen dazukommen, die Lücken in der Erwerbsbiographie durch Arbeitslosigkeit und geringfügige Beschäftigung haben.

In der Bürgerkonsultation zu sozialen Angelegenheiten sprechen fast monatlich Betroffene vor und haben Fragen zur Regelaltersrente. Darunter war bspw. ein Bürger, der ab dem Mai 2021 eine Rente von monatlich 782,04 € erhalten soll. Für seine 46 m² große Wohnung zahlt er jedoch schon heute eine Warmmiete von 401,24 €.  Seine Frage liegt auf der Hand: „Von was soll ich 2021 leben?“

Wir können den betroffenen Bürgern in den Konsultationen nur raten, im Sozialamt Chemnitz vorzusprechen, um Hilfe zu erhalten. Das fällt jedoch vielen schwer, da sie Angst haben, dass ihre Angehörigen ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Die „Dunkelziffer” der Betroffenen ist viel höher als angenommen. Damit ist schon heute die Altersarmut vorprogrammiert. Auf dieses Problem muss in den nächsten Jahren die Politik eine Antwort finden.

Die Bürgerkonsultationen zu sozialen Angelegenheiten der GBM finden jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 9:00 bis 12:00 Uhr oder nach Vereinbarung im Veranstaltungsraum des Rothaus e. V. (Lohstraße 2, 09111 Chemnitz) statt. Die Mitglieder der Projektgruppe behandeln das Anliegen persönlich, vertraulich und unbürokratisch. Die Projektgruppe arbeitet unabhängig, d. h. steht nicht in Abhängigkeit von einer Einrichtung oder einem Kostenträger und ist konfessionsfrei, weltanschaulich und parteipolitisch neutral. Diese Hilfe ist kostenlos und kann nicht bei Behörden als rechtsverbindliche Auskunft benützt werden.

Kontakt:

Telefon 0371 50346847

Mail: gbmevchemnitz@web.de

Zum Jahresplan 2017

Im Jahr der Bundestagswahlen wird das SPN im Sommer wieder ein Wählerforum mit den Bundestagskandidaten aus Chemnitz durchführen. Entsprechende Wahlprüfsteine wird unser Netzwerkpartner GBM e. V. erarbeiten. Die Rentenproblematik, vor allem die Benachteiligung der Ostrentner, spielt dabei eine Rolle.

Hauptschwerpunkt des SPN bleibt jedoch die Seniorenmitbestimmung und -mitwirkung auf Landesebene und die Umsetzung in den Kommunen. Prof. Dr. Werner Fürbaß, Vertreter des Bund der Ruheständler, Rentner und Hinterbliebenen, Landesverband Sachsen e. V. im SPN, hat folgende Stellungnahme zur Ablehnung des Entwurfs eines Sächsischen Seniormitbestimmungsgesetzes im Freistaat Sachsen durch den Sächsischen Landtag, erarbeitet:

Mit Bedauern haben wir die Ablehnung des Entwurfs eines Seniorenmitbestimmungsgesetzes am 22. Juni 2016 in der 2. Lesung durch den Sächsischen Landtag zur Kenntnis genommen. Damit wurde zum wiederholten Mal eine Chance verpasst, einen Großteil der Bürger Sachsens – etwa ein Drittel – in größerem Umfang in politische Entscheidungen einzubeziehen. 

Gleichzeit haben die Abgeordneten der Koalition damit gegen ihren eigenen Koalitionsvertrag verstoßen, denn sie haben weder, wie dort vorgesehen, eigene Überlegungen dazu angestellt noch einen Gegenvorschlag unterbreitet.

Bereits im April 2008 verbreitete die damalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Ursula von der Leyen (CDU), das Memorandum „Mitgestalten und Mitentscheiden – Ältere Menschen in Kommunen“, in dessen Anschreiben an die Oberbürgermeister und Bürgermeister sie u. a. feststellte:

„Ältere Menschen setzen sich nicht nur für ihre eigenen Belange ein, sie fühlen sich auch als Sachwalter der Generation ihrer Kinder und Enkel, sie möchten eine lebenswerte Kommune für alle Generationen. Durch ihr bürgerschaftliches Engagement können sie dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Engagement kann gesteigert werden, wenn in den Kommunen, bei Einrichtungen und Trägern Mitbestimmungsmöglichkeiten (Hervorhebung d. Verf.) bestehen.“

Seitdem hat sich im Freistaat Sachsen auf diesem Gebiet nichts Erwähnenswertes getan. Das bemängelte in der Debatte übrigens auch der Abgeordnete Volkmar Zschocke (Die Grüne). Zudem kritisierte er mit Recht das mit dieser Problematik verbundene Demokratiedefizit auf Landesebene.

Die vorhandenen Seniorenbeiräte im Land und in den Kommunen haben weder die notwendigen Kompetenzen noch Einflussmöglichkeiten. Sie können zum Beispiel mit ihren Anliegen nicht an die Öffentlichkeit treten. Ihr Zustandekommen besitzt nicht die umfassende demokratische Legitimation, so wie wir sie verstehen und auch in bedeutenden Großstädten wie Hamburg oder Köln – um nur einige zu nennen – gehandhabt wird. Von Mitbestimmung im Sinne des Wortes kann keine Rede sein. Es kommt also nicht auf die Zahl, sondern die Qualität der Vertretungsorgane an. Insofern liegt der Beitrag der Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Barbara Klepsch, mit ihrem Beispiel aus Annaberg völlig daneben.

Was die Bestellung von Seniorenbeauftragten in den Kommunen anbelangt, so wurde in der Debatte auf die Möglichkeit verwiesen, die die Sächsische Gemeindeordnung bietet. Wirft man jedoch einen Blick auf die Realitäten in den Landkreisen, kreisfreien und größeren Städten, muss man mit Nachdruck ein allseitiges Manko zur Kenntnis nehmen.

Die Abgeordnete Hannelore Dietzschold (CDU), die zu den Ablehnerinnen zählt, erwähnte als gutes Beispiel den Seniorenbeirat der Stadt Leipzig. Dass die Stadtverwaltung von Leipzig unter den wenigen, womöglich als einzige, auch eine langjährig und erfolgreich tätige Seniorenbeauftragte hat, bringt sie nicht zur Sprache.

Und warum, so stellen wir die Frage, werden die zahlreichen, langjährigen Erfahrungen der Länder Hamburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Bayern und andere nicht zur Kenntnis genommen?

Die meisten von ihnen haben Seniorenmitwirkungsgesetze mit unterschiedlichen Regelungen. Andere haben andere entsprechende Festlegungen getroffen. Was die demokratische Bestimmung darüber, wer die Seniorinnen und Senioren vertritt, anbelangt, so finden dazu zum Beispiel in Hamburg Delegiertenkonferenzen statt. In der Stadt Köln werden seit 1978 in den Stadtbezirken die Seniorenvertretungen durch Briefwahl der Ab-60-Jährigen gewählt. Erst im Oktober 2016 standen dort wiederum 103 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. Durch die Auswahl und demokratische Wahl bestimmen die Seniorinnen und Senioren selbst und unmittelbar, wer sie vertritt.

Die Legislaturperiode ist noch nicht zu Ende. Es besteht immer noch die Möglichkeit, ein solches Gesetz zu verabschieden. Wenn man meint, der bisherige Entwurf sei nicht geeignet gewesen, sollte man einen besseren vorlegen. Gegen die Meinung, im Freistaat sei das alles nicht nötig, sprechen die angeführten zahlreichen guten Beispiele anderer Bundesländer, sprechen auch unsere Erfahrungen.

gez. Koordinierungskreis SPN Chemnitz

Auf kommunaler Ebene sieht es in Chemnitz nicht besser aus. Die Stadträte konnten sich noch nicht einigen, einen Beschlussantrag zur Bestellung eines Seniorenbeauftragten einzubringen. Auch 2017 werden wir das mit Nachdruck fordern. Weiterhin brauchen wir eine funktionierende Seniorenvertretung. Was nutzt uns ein Seniorenbeirat, der nur beratendes Organ des Stadtrates ist? In anderen Städten, wie in Leipzig oder Halle (Saale), gibt es sehr gute Beispiele, wie Seniorenvertretungen aktiv mit den älteren Bürgern zusammenarbeiten und  deren wirksame Interessenvertreter sind. Aus diesem Grund werden wir im Februar/März zu einem Erfahrungsaustausch nach Halle fahren und mit der dortigen Seniorenvertretung und der Seniorenbeauftragten der Stadt ins Gespräch kommen.