Erinnerungskultur und Frieden

Das „Seniorenpolitische Netzwerk Chemnitz“ hatte seine diesjährige Seniorenkonferenz unter das Motto „Erinnerungskultur und Frieden“ gestellt. Kein einfaches Thema in einer Zeit, in der der sicher geglaubte Frieden in Europa sich als trügerisch erwiesen hat. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei – Frieden in Europa ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Frieden in der Welt war es aber noch nie.

„Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Gleichheit. Keine Gleichheit ohne Entwicklung. Keine Entwicklung ohne Demokratie. Keine Demokratie ohne Respekt der Identität und der Würde der Völker.“ Diese Worte sagte die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberto Menchú Tum aus Guatemala 1992 bei ihrer Preisverleihung.

Frieden ist kein Naturzustand, er ist ein Anspruch an die Vernunft der Menschen, bei aller Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse und -qualitäten das Übereinstimmende, Gemeinsame des Menschseins zu begreifen und dem Handeln zugrunde zu legen. Das Zusammenleben vieler intelligenter Wesen auf dieser räumlich begrenzten Erde erfordert Normen, Regeln und Gesetze des Miteinander-Umgehens. Hier beginnt der Anspruch an das Menschenrecht auf Frieden. Dieses ist ein grundlegendes Menschenrecht, Ausdruck menschlicher Verantwortlichkeit und damit Voraussetzung für die gesicherte Existenz des einzelnen Menschen und der Menschengemeinschaften. Nur unter der Bedingung des Friedens lassen sich weitere Menschenrechte wie Freiheit und Gerechtigkeit verwirklichen. 

Genau an dieser Stelle spielt Erinnerungskultur eine große Rolle. Menschen, die den Schrecken des Krieges hautnah erleben mussten, haben häufig ein klares Bekenntnis zum Frieden: „Nie wieder Krieg!“

Jeder hat seine Erfahrungen und seine Sichtweise, häufig weichen auch die konkreten Schlussfolgerungen der Menschen voneinander ab. Durch Zuhören mit Herz und Verstand eröffnen diese Erinnerungen die Möglichkeit zur Einsicht in die Leidenserfahrung des „Anderen“, zum Erkennen dessen eigener „Wahrheit“. 

Erinnerungskultur soll befähigen, historische Entwicklungen zu beschreiben und zu bewerten sowie unsere Welt als durch eigenes Tun gestaltbar und veränderbar zu begreifen. Jede Generation muss sich mit historischen Überlieferungen und Spuren neu auseinandersetzen, sie einordnen und bewerten. Jede Generation befasst sich aufs Neue damit, wie Geschichte geschrieben, umgeschrieben oder mystifiziert, entmythologisiert oder dekonstruiert werden kann. 

Wer sich erinnert, fragt danach, wie sich das, was in der Vergangenheit geschah, auf Gegenwart und Zukunft auswirkt und welche Handlungsoptionen es gab oder gibt. Genau darum geht es, wenn Frieden zum Ziel des Handels gemacht wird. Das alle Menschen ein Leben ohne Angst führen können, sich niemand Sorgen um Freunde oder Familie machen muss. Frieden gelingt allerdings nur durch ein friedliches Zusammenleben, durch Offenheit und Dialog. Nicht gegeneinander, sondern miteinander.

Abschließend ein herzlicher Dank an Horst Wehner für seinen Redebeitrag und die Zuarbeit für diesen Artikel.