„Ich stehe dazu, dass wir eine solche Angleichung von Ost und West brauchen.
Ich würde, wenn Sie mich nach dem Zeitrahmen fragen, sagen,
dass das Thema in den ersten beiden Jahren
der nächsten Legislaturperiode erledigt sein wird.“
Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine entsprechende Frage zur Rentenangleichung von Ost und West beim 9. Deutschen Seniorentag am 8. Juni 2009. Inzwischen neigt sich die Legislaturperiode ihrem Ende entgegen, doch noch immer beträgt der Rentenunterschied für einen Eckrentner Ost auf Grund des 11,2 Prozent niedrigeren Rentenwertes 142 Euro weniger als für den vergleichbaren Eckrentner im Westen der Bundesrepublik.
Das war Anlass für das Seniorenpolitische Netzwerk Chemnitz, sich in der 4. Seniorenkonferenz am 5. Oktober speziell mit dieser Ungerechtigkeit zu befassen. Zum Thema sprach Dr. Alfred Spieler vom Volkssolidarität Bundesverband e.V. Er erläuterte, dass entsprechende Nachfragen bei der Bundeskanzlerin und beim Bundespräsidenten Gauck zu keinerlei verbindlichen Aussagen geführt hätten. Mit lapidaren Rechtfertigungsversuchen werde lediglich die besondere Situation im Osten verschleiert. So werde übersehen, dass die Löhne im Osten um rund 20 Prozent niedriger liegen als im Westen, in Sachsen sogar um etwa 25 Prozent. Das wirkt sich natürlich auf die Rente, die bekanntlich den Löhnen folgt, gravierend aus. Außerdem hätten die Rentner im Westen normalerweise weitere Einkünfte neben der gesetzlichen Rente sowie andere Sonderversorgungssysteme.
„Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigen die Zahlbeträge von Neurentnern ab 2000. Mit der Agenda 2010 kam es zur schleichenden Absenkung des Rentenniveaus, sodass die Renten derzeit schon zum Teil unter dem Grundsicherungsniveau liegen.“
Die Volkssolidarität und das „Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern“ fordern die Einlösung der Versprechen aus dem Einigungsvertrag, wobei keine Nachteile für heutige Generationen entstehen dürfen. Angesichts der ausbleibenden Lohnangleichung sollten steuerfinanziert für eine Übergangszeit Zuschläge zu den Ostrenten gezahlt werden, bis die tatsächliche Rentengerechtigkeit erreicht ist. Ein gesetzlicher Mindestlohn von bis zu 10 Euro würde einen Schub für die Lohnangleichung bedeuten, deshalb solle die Politik endlich dafür sorgen, dass Ostdeutschland aus der Niedriglohnzone herauskommt, so Dr. Spieler. Er rief dazu auf, die kommenden Wahlkämpfe auf Bundes- und Landesebene zu nutzen, um die Politiker für das Thema zu sensibilisieren. „Die Rentenproblematik ist ein vitales Problem der Vollendung der deutschen Einheit“, schloss der Redner.
In der folgenden Diskussion wies Dieter Siegert von der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) auf das „Rentenstrafrecht“ hin, das nach 20 Jahren Rechtsstreit noch immer wirkt und besonders „staatsnahe“ Rentner mit Zusatz- und Sonderversorgungsansprüchen benachteiligt. „Mit den 1992 im SGB VI festgeschriebenen speziellen Regelungen für DDR-Bürger wird das Rentenrecht missbraucht, um so genannte Staatsnahe abzustrafen. Und das Rentenstrafrecht ist trotz kleiner Teilerfolge noch nicht beseitigt.“
Horst Wehner, MdL DIE LINKE und 2. Vizepräsident des Sächsischen Landtages, wies darauf hin, dass das Lohnniveau auch in den alten Bundesländern ganz unterschiedlich ist, was aber nicht zu einer unterschiedlichen Höhe von Entgeltpunkten führt. Auch der Sozialverband VdK, dessen Landesverbandsvorsitzender Wehner ist, setzt sich dafür ein, dass der aktuelle Rentenwert in Ost und West ein gleicher wird.
Prof. Dr. Werner Fürbaß warnte davor, die Begriffe Rentensystem und Rentenrecht falsch zu verwenden. „Wir haben seit 1992 ein einheitliches Rentensystem nach SGB IV mit Sonderregelungen für Ostdeutsche. Und wir haben ebenfalls ein gleiches Rentenrecht. Es geht aber um einheitliche Renten, das heißt um die gleiche Rente für die gleiche Lebensleistung.“
Ein besonderer Höhepunkt der Veranstaltung war der Diskussionsbeitrag von Tim Wilde. Der 19-Jährige zeigte damit, dass sich auch junge Leute mit diesem Thema befassen, wenn es auch zugegebenermaßen viel zu wenige sind. Er verglich das Rentensystem in der Schweiz mit dem in der BRD. „Es ist nicht gerecht, dass es bei uns eine Kappungsgrenze für die Einzahlung in die Rentenkasse gibt. Damit zahlen Ärmere prozentual mehr ein als Besserverdienende.“
Siegfried Geßner vom Sozialverband Deutschland (SoVD) forderte, auf die Absenkung des Rentenbeitrages von derzeit 19,6 auf 19 Prozent ab 2013 zu verzichten. „Dadurch fehlen den Rentenkassen künftig 7,2 Mrd. Euro jährlich.“ Ebenso verurteile der Sozialverband die Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Ziel der Konsolidierung des Bundeshaushaltes. „Der SoVD sieht die geplanten Einschnitte in die Haushalte der Sozialversicherung mit großer Sorge.“
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seniorenkonferenz verabschiedeten einmütig eine von Prof. Fürbaß eingebrachte Entschließung, in der gefordert wird, endlich Schritte zur Angleichung der Ost- an die Westrenten einzuleiten und damit gleiche Lebensleistung mit gleicher Rente zu bestätigen.