Das Seniorenpolitische Netzwerk (www.spn-chemnitz.de) hatte am 7. Oktober zur 3. Chemnitzer Seniorenkonferenz eingeladen. Thema war „Gesundheitsreform 2011 – ein weiterer Schritt zur Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme“. Nach dem musikalischen Auftakt mit dem Seniorenchor der Chemnitzer Volkssolidarität geißelte Prof. Dr. Werner Fürbaß in seiner Eröffnung mit scharfen Worten den Sozialabbau der letzten Jahre, wie er durch die rot-grüne Regierung mit ihrer Agenda 2010 eingeleitet wurde. Das fand nicht die ungeteilte Zustimmung von Referentin Dr. Marlies Volkmer, MdB der SPD-Bundestagsfraktion. Die erläuterte die wichtigsten Eckpunkte des Versorgungsstrukturgesetzes und benannte die wichtigsten Forderungen der SPD, wie die nach Konferenz des Seniorenpolitischen Netzwerkes zur Gesundheitsreform 2011 einer patientengerechten Bedarfsplanung, mehr Mitbestimmung der Patienten oder einer Bürgerversicherung für alle. Ihre Ausführungen gipfelten in der Feststellung „Unser Gesundheitssystem ist im Grundsatz sehr gut. Es ist qualitativ sehr hochwertig mit einem hohen versicherten Leistungsanteil.“ Das nahmen die Anwesenden nicht unwidersprochen hin, waren ihre Erfahrungen doch ganz anders, und Doris Mohr brachte es auf den Punkt, als sie feststellte: „Ich erlebe das Gesundheitswesen aus der Froschperspektive, Sie aus der Vogelperspektive.“
Horst Wehner, Landtagsvizepräsident und MdL der LINKEN, hatte den Eindruck, einen Regierungsbeitrag gehört zu haben, nicht einen der Opposition. „Leider ist es mit dem Einigungsvertrag nicht geglückt, das BRD-Gesundheitswesen dem der DDR anzugleichen“, bedauerte er. „Dieses steuer- und versichertenfinanzierte System war mit seinen wenigen Krankenkassen bürgerfreundlich. Es war einfach für den Menschen und genau um den geht es schließlich. Wenn wir reformieren in dem System, in dem wir verharren, brauchen wir gar nicht zu reformieren.“ Zwar sei Chemnitz medizinisch noch nicht unterversorgt, aber das sei angesichts des Fehlens von medizinischem Nachwuchs nur eine Frage der Zeit. Er beklagte die enormen rechtlichen Hürden bei der Bildung von medizinischen Versorgungszentren, geißelte das System in der BRD als „Rückversicherer“ – wenn etwas passiert, müsse immer ein Schuldiger bzw. Verantwortlicher dafür zu finden sein - und verurteilte, dass die Vergabe von Leistungen auf die Politik delegiert wird. „Der Bundesausschuss entscheidet, welche Medikamente bzw. Leistungen zu Lasten der Krankenkassen vergeben werden dürfen. Das hat zur Folge, dass Bewährtes verschwindet.“
Resümee der Veranstaltung: Wir haben heute eine Zwei-Klassen-Medizin. Wer arm ist, muss eher sterben. Gegenwärtig geht es nicht darum, Armut zu begrenzen, sondern Reichtum zu schützen. Das Seniorenpolitische Netzwerk setzt sich für ein solidarisches Gesundheitssystem ein, wendet sich gegen die Privatisierung der Pflegeversicherung, fordert, die Pflege-, Renten und Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung auszubauen und setzt sich für Gleichstellung und Teilhabe behinderter Menschen ein.
Der Beitrag erschien zuerst in „Der klare Blick“, Nr. 248, 11/2011.