Memorandum an die Stadträtinnen und Stadträte der Stadt Chemnitz

  1. Ältere Menschen stehen den gesellschaftlichen Veränderungen, besonders dem demografischen Wandel, nicht passiv gegenüber. Sie sind bereit, unsere Gesellschaft des langen Lebens mitzugestalten. Deshalb rufen wir auf zu einer differenzierteren Wahrnehmung der gesellschaftlichen Rolle älterer Menschen. Etwa ein Drittel der Einwohner von Chemnitz ist 60 Jahre alt und älter. Auf Grund der starken Zunahme der „Hochaltrigen“ haben sich inzwischen zwei Seniorengenerationen herausgebildet. Daraus macht sich seit langem ein Paradigmenwechsel in der Seniorenpolitik auch in unserer Stadt erforderlich. Das moderne Altenbild geht davon aus, dass sich die Rolle der Seniorinnen und Senioren grundlegend geändert hat. Sie sind nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess länger aktiv als früher. Sie sind länger gesund und mobil, und ihr Altersdurchschnitt nimmt ständig zu bei bleibender geistiger Frische. Diese Feststellungen haben wir wiederholt getroffen; zuerst in unserem Memorandum nach unserer Gründung in 2008, später noch einmal nach der vorhergehenden Stadtratswahl.
  2. Nun erinnern wir den neu gewählten Stadtrat, dem wir viel Erfolg in seiner Tätigkeit zum Wohle der Stadt wünschen, an dieses Ansinnen. Verbal wird uns sicher niemand widersprechen. Die Praxis der letzten Jahre zeigt aber, dass seitens der Stadt wesentliche Konsequenzen aus diesen Gegebenheiten und Forderungen ausblieben.  Zahlreiche Diskussionen und Gespräche sowie Schriftwechsel mit Fraktionen und Mitgliedern des Stadtrates führten bislang zu keinem generellen Umdenken. In zahlreichen Konferenzen und Seminaren haben wir unsere Vorstellungen unterbreitet. Wir sind auch weiterhin bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten.
  3. Eines der wichtigsten Anliegen ist das Thema Mitwirkung und Mitbestimmung der Seniorinnen und Senioren im vorparlamentarischen und parlamentarischen Rahmen. Die Sächsische Gemeindeordnung enthält dazu nur vage Empfehlungen, sie gibt den Städten und Gemeinden jedoch genügend Raum für eigene Initiativen. Was die Kreisfreien Städte im Freistaat angeht, so beweisen andere, zum Beispiel die Stadt Leipzig, wie weit man dabei gehen kann. Das ist längst nicht das, was uns andere Bundesländer und bedeutende Großstädte vormachen, aber immerhin wesentlich mehr als die Stadt Chemnitz bereit ist zu tun.
  4. Besonders kommt dies zum Ausdruck in der Rolle des Seniorenbeirates bei den Stadträten. Er ist keine Seniorenvertretung schlechthin, da er weder durch Direkt- noch Delegiertenwahlen der Seniorinnen und Senioren, wie das  zum Teil in anderen Bundesländern oder Städten der Fall ist, gewählt wurde.  Das ist auch in Leipzig nicht anders. Da kann noch viel verändert werden.  Im Unterschied zu Chemnitz steht der Seniorenbeirat dauernd den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung, betreibt eine rege Öffentlichkeitsarbeit, berichtet somit über seine Tätigkeit und Probleme und kann sich somit zu einem großen Teil als Interessenvertretung der älteren Menschen betätigen. Ein Blick ins Internet bietet entsprechende Beispiele.
    Offenbar werden ihm auch weitergehende Kompetenzen eingeräumt. Zudem steht ihm eine hauptamtliche Seniorenbeauftragte als Bindeglied zur Stadtverwaltung zur Seite.
  5. Die Einsetzung einer/eines hauptamtlichen Seniorenbeauftragten ist in Chemnitz seit vielen Jahren ein Dauerthema. Durch die FDP-Fraktion des Stadtrates wurde bereits 2007 – noch vor unserer Gründung - dem Stadtrat der Beschlussvorschlag zur „Einsetzung einer/eines Seniorenbeauftragten für die Stadt Chemnitz“ unterbreitet. In der Begründung dazu heißt es unter anderem: „Die/der Seniorenbeauftragte der Stadt Chemnitz soll die Interessen der älteren Menschen gegenüber Rat und Verwaltung (Hervorheb. d. Verf.) vertreten, den Seniorenbeirat … unterstützen und Ansprechpartner für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger … sein.“ Fernerhin wird einer Vielzahl von Behörden und Ämtern übergreifend eine Vielzahl von Aufgaben genannt, die unter den jetzigen Bedingungen weder durch den Seniorenbeirat noch sonstigen ehrenamtlichen Kräften allein bewältigt werden können. Dabei blieb es aber.

Chemnitz, 28. Januar 2020

Koordinierungskreis des SPN