Nein zur Fortdauer der Fehler der Rentenüberleitung

Mit dem Anschluss der Deutschen Demokratischen Republik an die Bundesrepublik Deutschland  durften die Bürger der DDR darauf vertrauen, dass sie und ihre Rechte entsprechend den abgeschlossenen Verträgen und nach Maßgabe des Völkerrechts dem uneingeschränkten Schutz des Grundgesetzes unterstellt werden.

Diese Hoffnung erfüllte sich bis heute nicht. Vielmehr bleiben für unterschiedliche Berufsgruppen aus der DDR sowie für Ostdeutsche Überführungslücken, das Versorgungsunrecht, der Missbrauchs des Rentenrechts als politisches Strafrecht und weitere Benachteiligungen  (z. B. bei der Bewertung des Rentenwertes Ost) auch mehr als 25 Jahre nach der staatlichen Wiedervereinigung weiter bestehen. 

Die  Regierungskoalition und die  parlamentarischen Mehrheiten von CDU/CSU und SPD im Bundestag wiesen im Juni 2015  alle  auf die Beseitigung der Fehler der  Rentenüberleitung und anderer Diskriminierungen Ostdeutscher gerichtete  Petitionen  wiederholt ab und besiegelten damit das Fortbestehen der offenen Rentenfragen.

Das steht im Widerspruch zu den Versprechungen des Einigungsvertrages. Zahlreiche wissenschaftliche Studien weisen diese Feststellung nach.

So stellt der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Dr. Merten 2012 in seiner Schrift „Probleme gruppengerechter Versorgungsüberleitung“ u. a. fest: „Die deutsche Wiedervereinigung ist nach mehr als zwanzig Jahren für viele nur noch ein Datum der Geschichte. Dennoch hat die juristische Gestaltung der Staatenzusammenführung durch den Einigungsvertrag Verwerfungen insbesondere bei der Ausführungsgesetzgebung ergeben, die einige Gruppen ehemaliger Versorgungsberechtigter nicht nur wirtschaftlich belasten, sondern auch diskriminieren“. Diese Verwerfungen beweist  der Autor im Detail. (Nachzulesen in „Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 310, Probleme gruppengerechter Versorgungsüberleitung von Detlef Merten Dunker & Humbold  Berlin“.)

Auch mit anderen Untersuchungsergebnissen über die Lage und Zukunft der Beitrittsbürger als Rentner wird  auf grundsätzliche  Regelungen des Einigungsvertrages vom 23. September 1990 verwiesen, die in der Praxis nicht umgesetzt werden. So untersagt  der Einigungsvertrag, der fortbestehendes  Bundesrecht wurde,  rückwirkende Einschnitte in Vermögensrechte vorzunehmen. Der Einigungsvertrag garantiert somit auch den Fortbestand des von der Verfassung der DDR geschützten Eigentums,  damit auch die bis 1990 erworbenen Rentenansprüche und Anwartschaften durch den Übergang in den Schutz des Grundgesetzes. Gegen diesen Grundsatz verstößt die dem Einigungsvertrag folgende Gesetzgebung.

Das Bundesverfassungsgericht stellte in einem Urteil vom 28.04.1999 u. a. fest, „dass Verbindlichkeiten aus sozialen Sicherungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik nicht in voller Höhe zu erfüllen sind, ist im Einigungsvertrag nicht bestimmt. Der Einigungsvertrag spricht vielmehr davon, dass in der Deutschen Demokratischen Republik erworbene Rentenansprüche und -anwartschaften zu überführen sind. Er normiert außerdem eine Zahlbetragsgarantie und stattet damit bestimmte in der Deutschen Demokratischen Republik  erworbene Rentenansprüche und -anwartschaften auch hinsichtlich ihrer Leistungshöhe mit einem Besitzschutz aus“. (BVerfGE 100, 1, 47)

Entgegen dieser hier beispielhaft aufgeführten Rechtsvorschriften dauern die Diskriminierungen der Bürger der DDR und der Ostdeutschen durch Nichteinhaltung von Vertragszusagen in Rentenrechtsfragen an.

Es ist unverständlich, dass diese Situation nach Vorstellungen von Abgeordneten des Bundestages  und Mitgliedern der Regierungskoalition bestehen bleiben soll.

Bemerkenswert dazu ist, dass mehrere verfassungswidrige Auswüchse der Sozialgesetzgebung, so auch  Verwerfungen der Rentenüberleitung, durch Gerichte, so auch durch das Bundesverfassungsgericht, festgestellt wurden. Sie konnten bisher nur durch juristische Schritte der vom Unrecht Betroffenen erstritten werden. 

Eine weitere Feststellung: Das Rentenüberleitungsgesetz ging zunächst von einer kurzen Übergangsdauer seiner Gültigkeit aus, da der Gesetzgeber der Auffassung war, die niedrigen Durchschnittseinkommen der Menschen im Osten nähern sich in einer kürzeren Zeit dem Durchschnittswert West. Diese damals sicher politisch gewollte Annahme hat sich bis in die Gegenwart nicht verwirklicht. Der Osten wurde Billiglohnland.  Jetzt veröffentlichte  Zahlen des Statistischen Bundesamtes besagen, dass die Bruttogehälter zwischen West und Ost noch weit auseinander klaffen. Nach diesen Veröffentlichungen verdiente 2014 ein Vollzeitbeschäftigter im Westen fast 900 Euro mehr als im Osten.

Damit ist eine Behauptung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, es gebe keine soziale Schieflage in Deutschland, völlig unverständlich.  (Hier beziehe ich mich auf Veröffentlichungen der „Freien Presse“ Chemnitz.)

Diese Entwicklung macht nachdrücklich deutlich, dass durch politische Entscheidungen spürbarer Einfluss auf die Lohnentwicklung im Osten zu nehmen ist. Damit kann Altersarmut der künftigen Generationen von Rentnern verhindert werden.

Solange die Lohnentwicklung im Osten hinter der im Westen zurückbleibt, muss bei der Rentenberechnung das Umrechnungsverfahren (genannt auch eine Hochrechnung) für Osteinkommen bestehen bleiben.

Aus vorgenannten Gründen sehen wir die politische Verantwortung der Bundesregierung und der im Bundestag vertretenen Parteien darin, auf

  • die Beseitigung der Überführungslücken, 
  • eine rasche Überwindung des Versorgungsunrechts, 
  • die Angleichung der Löhne und Gehälter im Osten an die im Westen und die tatsächliche Angleichung des Rentenwertes Ost an den allgemeinen Rentenwert und 
  • eine Beseitigung des bestehenden Rentenunrechts bei bestimmten Berufsgruppen 

zu wirken. Die Wahrnehmung dieser Verantwortung sollte sich bereits in konkreten Vorschlägen zur Gestaltung des vom Bundestag beschlossenen „Fahrplans zur vollständigen Angleichung“, Termin 1. Juni 2016, zeigen.